Vertragsschluss durch Emojis?

Wer im Rahmen digitaler Kommunikation im geschäftlichen Verkehr Emojis verwendet, muss damit rechnen, dass diese als rechtlich bindende Erklärung ausgelegt werden.

 

Einführung

Emojis sind farbige Symbole, die im Rahmen von elektronischen Nachrichten auf Gefühlslagen, Gegenstände, Orte, Tiere, Essen oder Ähnliches verweisen. Im Zeitalter der Digitalisierung steigt die Anzahl von Emojis kontinuierlich an, so dass den digitalen Nutzer:innen mittlerweile 4.489 Emojis zur Verfügung stehen, was immerhin 172-mal mehr Zeichen als im deutschen Alphabet sind.

Emojis helfen dabei, unsere Interessen und Gefühlslagen auch im Rahmen schriftlicher Kommunikation auszudrücken. Daneben können sie im Einzelfall einen rechtlich bindenden Vertragsschluss begründen.

 

Eine Gerichtsentscheidung aus Kanada

Im Gleichauf mit der steigenden Anzahl verfügbarer Emojis steigt die Anzahl von Gerichtsentscheidungen weltweit, die sich mit der rechtlichen Bedeutung von Emojis beschäftigen. Nachfolgend wird eine aktuelle Gerichtsentscheidung aus Kanada dargestellt, in welcher der Erklärungswert von Emojis im Geschäftsverkehr im juristischen Sinne beleuchtet wird.

Ein kanadisches Unternehmen verschickte mehrere Textnachrichten an verschiedene Landwirte, um Flachs zu bestellen. Ein Landwirt meldete sich hierauf und es wurde vereinbart, dass das Unternehmen einen schriftlichen Kaufvertrag per Textnachricht versenden solle. Das kanadische Unternehmen forderte eine Vertragsbestätigung an, woraufhin der Landwirt mit einem simplen „Daumen-hoch“-Emoji antwortete. Das Unternehmen war nunmehr der Ansicht, dass ein wirksamer Vertragsschluss zustande gekommen war. Demgegenüber ging der Landwirt davon aus, lediglich den Eingang der Textnachricht bestätigt zu haben. Nachdem die Lieferung des Flachses ausgeblieben und dem Unternehmen infolge gestiegener Preise ein Schaden in Höhe der Mehrkosten eines Deckungsgeschäftes entstanden war, verurteilte das kanadisches Gericht den Landwirt zum Schadensersatz. Dabei nahm das Gericht an, dass zwischen den Parteien ein wirksamer Kaufvertrag geschlossen worden sei. Es argumentierte unter anderem damit, dass die Parteien bereits zuvor Geschäfte miteinander getätigt hatten, bei denen der Landwirt den Vertragsschluss häufig mit einem einfach „O.K.“ bestätigte. Das Senden eines „Daumen-hoch“-Emojis entspreche dieser Form eines knappen Vertragsschlusses gleichermaßen.

 

Die Rechtslage in Deutschland

Ein vergleichbarer Fall ist in Deutschland noch nicht bekannt. Es dürfte jedoch nur eine Frage der Zeit sein, bis sich auch deutsche Gerichte mit der Frage befassen, welcher Erklärungswert Emojis beizumessen ist.

Im deutschen Recht erfolgt ein Vertragsschluss gemäß §§ 145ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen, Angebot und Annahme. Eine Willenserklärung ist die Äußerung des eigenen Willens, um damit eine rechtliche Wirkung im Geschäftsverkehr zu erzielen. Wie eine solche Willenserklärung verstanden wird, ist durch Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB zu ermitteln, wobei der wirkliche Wille des Erklärten zu erforschen und dabei auf die Verkehrssitte Rücksicht zu nehmen ist. Es kommt auf den objektiven Empfängerhorizont an, der darauf abstellt, wie das Gegenüber die Willenserklärung bei verständiger Würdigung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls verstehen durfte.

Unter Zugrundelegung der soeben dargestellten Kriterien wird, auch im deutschen Recht, ein „Daumen-hoch“-Emoji als eine bedingungslose Zustimmung des zuvor ausgetauschten Inhalts ausgelegt werden können. Die Zustimmung ist ausreichender Inhalt der Annahmeerklärung eines Vertrages. Im juristischen Sprachgebrauch wird die Annahme als eine empfangsbedürftige Willenserklärung definiert, durch die der Erklärungsempfänger dem Erklärenden sein Einverständnis mit dem angebotenen Vertragsschluss zu verstehen gibt. Der Vertrag ist mit dem Zugang des „Daumen-hoch“-Emojis wirksam geschlossen.

Ein wirksamer Vertragsschluss ist auch dann zu bejahen, selbst wenn dem Absender das entsprechende Erklärungsbewusstsein fehlt. Ein Erklärungsbewusstsein ist das Bewusstsein des Erklärenden, eine rechtsgeschäftliche Erklärung abzugeben. Nur wenn dem Erklärenden bewusst ist, dass sein Verhalten bzw. seine Erklärung einen rechtserheblichen Charakter (sog. Erklärungswert) hat, ist die Erklärung eine Willenserklärung im juristischen Sinne.

Sofern einem Emoji-Nutzer gerade nicht bewusst ist, dass dem Abschicken eines „Daumen-hoch“-Emojis ein rechtserheblicher Charakter zukommt, so fehlt ihm das entsprechende Erklärungsbewusstsein. Die Willenserklärung könnte infolge des fehlenden Erklärungsbewusstseins unwirksam sein, sodass sie keine Rechtsverbindlichkeit erzeugt. Die Konsequenz eines fehlenden Erklärungsbewusstseins ist gesetzlich nicht normiert und in der Literatur und Rechtsprechung umstritten. Zur Beurteilung der Konsequenzen eines fehlenden Erklärungsbewusstseins legt die herrschende Ansicht die sog. Erklärungstheorie zugrunde. Diese besagt, dass infolge eines fehlenden Erklärungsbewusstseins die Willenserklärung nicht automatisch unwirksam ist. Vielmehr ist es die Aufgabe des Erklärenden sorgfältig zu prüfen, inwiefern der Empfänger in dem Verhalten des Erklärenden eine Willenserklärung sehen konnte und durfte. Sofern der Erklärende dies hätte erkennen können, muss er sich die Willenserklärung zurechnen lassen, selbst wenn er eine Erklärung dieses Inhalts subjektiv gerade nicht äußern wollte. Ob daraus Anfechtungsmöglichkeiten bzgl. des Vertragsschlusses erwachsen, ist sodann eine nachgelagerte Frage.

Angesichts der Tatsache, dass ungefähr 74 Prozent der Bevölkerung in Deutschland Emojis benutzen und deren jeweilige Bedeutung, insbesondere diejenige eines „Daumen-hoch“-Emojis bekannt und eines eindeutigen Inhalts ist, sind keine zu strengen Anforderungen an die Sorgfaltspflicht des Erklärenden zu stellen. Vielmehr muss sich der Erklärende die allgemein bekannte Bedeutung eines „Daumen-hoch“-Emojis als Willenserklärung zurechnen lassen. Im Ergebnis kann somit ein „Daumen-hoch“-Emoji, selbst bei fehlendem Erklärungsbewusstsein, einen Vertragsschluss begründen.

Wir danken an dieser Stelle unserer Referendarin Lea Flaiz für die Idee und Umsetzung dieses Beitrags.