Unter welchen Voraussetzungen ist ein Untervertriebspartner als Handelsvertreter zu qualifizieren?

Um Einblicke in die Geschäfte zu erhalten, für welche einem vermeintlichen Handelsvertreter eine Provision zusteht, machte ein „Vertriebspartner“ einen Anspruch auf Buchauszug gem. § 87c Abs. 2 HGB gegen seinen vermeintlichen Prinzipal geltend. Die Richter hatten in diesem Zusammenhang die Frage zu beantworten, ob ein „Vertriebspartnervertrag“ als Handelsvertretervertrag im Sinne der §§ 84 ff. HGB anzusehen ist (OLG Hamm, Urteil vom 14. November .2022, 18 U 191/21).

Die Klägerin hatte mit der Beklagten im Jahr 2013 einen „Vertriebspartnervertrag“ geschlossen. Die Beklagte vertreibt Telekommunikationsdienstleistungen für Drittunternehmen. Nach dem gemeinsamen Vorhaben sollte die Klägerin wiederrum als „Untervertriebspartnerin“ für die Beklagte – mit Autorisierung durch die Drittunternehmen – Telekommunikationsdienstleistungen an Kunden vermitteln.

Zumindest bis November 2016 war die „Untervertriebspartnerin“ für die Beklagte tätig. Zur Mitte des Jahres 2017 kündigte diese aber das Vertragsverhältnis, nachdem die Beklagte bestimmte Genehmigungen, die zur Vermarktung der entsprechenden Produkte erforderlich waren, widerrufen hatte.

Grundsätzlich steht nach der Beendigung einer Handelsvertretung dem Handelsvertreter gem. § 89b HGB ein Ausgleichsanspruch gegen den Prinzipal zu. Der näheren Bestimmbarkeit und Überprüfbarkeit wegen steht Handelsvertretern gem. § 87c Abs. 2 HGB auch ein Anspruch auf Buchauszug, d.h. ein Anspruch auf die Zusammenstellung aller Angaben aus den Geschäftsbüchern, Geschäftspapieren und sonstigen Unterlagen, die für die Berechnung, Höhe und Fälligkeit der Provision bzw. des Ausgleichanspruchs des Handelsvertreters relevant sein können, zu.

Üblicherweise berechtigt ein Handelsvertreterverhältnis zu dieser Art von Auskunftsanspruch, sodass das Gericht, neben anderen Rechtsgrundlagen, die zur (analogen) Erteilung eines solchen Auskunftsanspruchs führen, auch das Vorliegen eines Handelsvertretervertrages zu prüfen hatte.

Vorliegend haben die Parteien keinen als solchen ausdrücklich bezeichneten Handelsvertretervertrag geschlossen. Allerdings könnte der „Vertriebspartnervertrag“ als Handelsvertretervertrag i.S.d. §§ 84 ff. HGB zu qualifizieren sein. Entscheidend ist die Frage, ob die „Untervertriebspartnerin“ hieraus auf die Vermittlung von Geschäften verpflichtet ist.

Vermittelt die „Untervertriebspartnerin“ nur „immer wieder“ Geschäfte, rechtfertigt dies nach Ansicht der Richter genauso wenig wie der Umstand, dass die „Vertriebspartnerschaft“ grundsätzlich auf längere Dauer angelegt gewesen war und auch für drei Jahre bestand, die Annahme des Vorliegens eines Handelsvertretervertrages. Vielmehr ist auf die „beiderseitige auf Dauer berechnete Bindung“ abzustellen. Nur wenn die „Untervertriebspartnerin“ verpflichtet ist, sich ständig um Geschäfte bemühen zu müssen, könne diese als Handelsvertreter angesehen werden.

In Bezug auf den konkreten Vertriebspartnervertrag stellt das Gericht fest, dass hierin zwar Klauseln enthalten sind, die das „Wie“ der Vertriebstätigkeit regeln, nicht aber das „Ob“. Insbesondere aus dem Umstand, dass die „Untervertriebspartnerin“ keinem – sonst für Handelsvertreter typischen – Wettbewerbsverbot unterlag und auch für andere Anbieter im Telekommunikationsmarkt tätig werden durfte, schließt das Gericht, dass es der Klägerin frei stand, nach freiem Belieben Mobilfunkverträge zu vermitteln. Weil die Parteien nur eine völlige Untätigkeit der „Untervertriebspartnerin“ als Kündigungsgrund vereinbart hatten, sehen die Richter keine Vorgabe sonstiger Vermittlungsziele bzw. kann gerade hieraus auf das Nichtbestehen einer – für ein Handelsvertreterverhältnis erforderlichen – Vermittlungspflicht geschlossen werden. Gleiches gilt für die Übersendung bestimmter Vertriebsziele in einer sogenannten „Jahreszielvereinbarung“ im Jahr 2016. Es ist nicht ersichtlich, dass sich hieraus eine Pflicht zur Vermittlung für die „Untervertriebspartnerin“ ergibt.

Zwar erkennt das Gericht, dass Verträge zwischen Vermittlern und Mobilfunkanbietern über die Vermittlung von Mobilfunkanschlüssen regelmäßig dem Handelsvertreterrecht unterliegen, hieraus könne aber nicht vorschnell auf die Natur der Vertragsverhältnisse auf Seiten der Vermittler untereinander geschlossen werden.

Der Vortrag der „Untervertriebspartnerin“, sie sei faktisch zur Tätigkeit verpflichtet gewesen, weil sie nicht auf anderem Wege Kunden für die jeweiligen Drittunternehmen werben konnte, ist nicht geeignet, der „Untervertriebspartnerin“ ein Handelsvertreterverhältnis gem. §§ 84 ff HGB aufzuzwingen, da sie dieses ausweislich des „Vertriebspartnervertrages“ gerade nicht wollte.

Damit scheitert das Buchauszugsbegehren der Klägerin schon am Bestehen eines Handelsvertreterverhältnisses. Andere Rechtsgrundlagen wie etwa, dass die „Untervertriebspartnerin“ als Kommissionsagentin oder Vertragshändlerin hätte tätig sein können, hat das Gericht zwar erwogen, gleichfalls dann aber verworfen.

Der konkret in diesem Fall dem Gericht vorgelegte Vertriebspartnervertrag kann daher nicht als Handelsvertretervertrag angesehen werden, sodass der klagenden „Untervertriebspartnerin“ deswegen und auch im Übrigen kein (analoger) Anspruch auf Buchauszug zusteht.

Mit diesem Urteil nimmt das OLG Hamm Stellung zur Vermittlungspflicht als Hauptpflicht des Handelsvertreters und schärft die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Handelsvertreterverhältnisses.