Insolvenzverschleppung (Teil 1/2)

Der Wunsch, das eigene, über viele Jahre aufgebaute Unternehmen vor der Insolvenz zu retten und die Arbeitsplätze der langjährigen Mitarbeiter zu erhalten, ist nur allzu verständlich. Häufig besteht zudem die Hoffnung, dass in naher Zukunft ein lukrativer Auftrag eingeht, mit dem das Unternehmen am Markt auch in Zukunft bestehen kann. Alles, was benötigt wird, um demnächst wieder schwarze Zahlen zu schreiben, ist Zeit.

Wer sich als Geschäftsführer diese Zeit nimmt – mögen die Motive auch noch so edel sein – läuft Gefahr, sich wegen Insolvenzverschleppung strafbar zu machen. Es ist daher wichtig, dass jede/r Geschäftsleiter/in den Straftatbestand der Insolvenzverschleppung gemäß § 15a InsO kennt.

In § 15a Abs. 1 S. 1 InsO heißt es: „Wird eine juristische Person zahlungsunfähig oder überschuldet, haben die Mitglieder des Vertretungsorgans oder die Abwickler ohne schuldhaftes Zögern einen Eröffnungsantrag zu stellen.“

Schätzungen zufolge soll es bei bis zu 80% aller Insolvenzen zu Straftaten kommen.

Der viel zitierte Grundsatz „wo kein Kläger, da kein Richter“ trifft dabei auf die Insolvenzverschleppung nicht zu. Es bedarf gerade keiner Anzeige eines (vermeintlich) Geschädigten. Das Insolvenzgericht unterrichtet die Staatsanwaltschaft im Rahmen der MiZi (Anordnung über Mitteilung in Zivilsachen) über sämtliche Insolvenzverfahren. Häufig ist diese Mitteilung der Anlass für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen Insolvenzverschleppung.

Um eine Strafbarkeit zu vermeiden, wird im Folgenden dargestellt, wer sich unter welchen Voraussetzungen der Insolvenzverschleppung nach § 15a InsO strafbar macht und welche Folgen eine solche Strafbarkeit haben kann.

 

Erfasste Unternehmensformen

Der Straftatbestand der Insolvenzverschleppung knüpft ausschließlich an Unternehmen an, für die keine natürliche Person nach außen mit ihrem Privatvermögen haftet und deren Verwaltungssitz oder Betrieb sich im Inland befindet. Insbesondere handelt es sich hierbei um juristische Personen in Form einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), Unternehmensgesellschaft (UG), British Limited Company (Ltd.) mit Sitz in Deutschland, Aktiengesellschaft (AG) und eingetragene Genossenschaft (eG).

Die Insolvenzantragspflicht kann aber auch Personengesellschaften wie die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) oder die Kommanditgesellschaft (KG) treffen. Auch hier sind Konstellationen ohne die Haftung einer natürlichen Person nach außen denkbar. So etwa, wenn sämtliche persönlich haftenden Gesellschafter wiederum juristische Personen sind. Dann besteht auch hier eine Insolvenzantragspflicht.

 

Handlungspflichtige Personen

Die Insolvenzantragspflicht trifft grundsätzlich alle Mitglieder des Führungsorgans. Dies sind bei der GmbH und UG der oder die Geschäftsführer, bei der Ltd. der Direktor und bei der AG und eG die Vorstandsmitglieder.

Außerdem trifft die Insolvenzantragspflicht den nicht selten vorkommenden sog. faktischen Unternehmensleiter. Als Unternehmensleiter ist hiernach nicht nur der formal berufene anzusehen, sondern auch derjenige, der die Geschäftsführung mit Einverständnis der Gesellschafter und/oder Gesellschaftsorgane ohne förmliche Bestellung faktisch übernommen hat und tatsächlich ausübt. Als faktisches Organmitglied wird dabei angesehen, wer nach dem Gesamterscheinungsbild seines Auftretens nach außen die Geschicke der Gesellschaft über die interne Einwirkung auf die Unternehmensführung hinaus durch eigenes Handeln nachhaltig prägt. Nicht notwendig ist dabei, dass der faktische Unternehmensleiter die gesetzliche Unternehmensführung völlig verdrängt.

 

Finanzielle Krisensituation

In der Praxis hat der Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit die höchste Bedeutung. Nach § 17 Abs. 2 InsO ist ein Unternehmen zahlungsunfähig, wenn es nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Hierfür werden den liquiden Mitteln (Kassenbestand, Bankguthaben, kurzfristig liquidierbares Vermögen wie Aktien) die fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten gegenübergestellt.

Zur Konkretisierung der Dauer und Tiefe des Liquiditätsdefizits gibt die Rechtsprechung vor, dass ein Unternehmen zahlungsunfähig ist, wenn es voraussichtlich innerhalb der nächsten drei Wochen außer Stande ist, 90% seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten zu bezahlen.

Der zweite vom Gesetz in § 19 Abs. 2 InsO benannte Insolvenzgrund ist die Überschuldung.

Ein Unternehmen ist überschuldet, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens in den nächsten zwölf Monaten ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. In der Praxis ist es nur in Ausnahmefällen notwendig auf diesen Insolvenzgrund einzugehen, da die Notwendigkeit entsprechender Feststellungen beim gleichzeitigen Nachweis der Zahlungsunfähigkeit typischerweise nicht mehr gegeben ist.

Der vom Gesetz statuierte Insolvenzgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit nach § 18 Abs. 2 InsO begründet keine Handlungspflicht zur Stellung eines Insolvenzantrages.

In Teil 2 dieses Beitrags, der nächste Woche erscheint, gehen wir auf die Rechtsfolgen der Insolvenzverschleppung ein und stellen dar, welche Handlungen zur Vermeidung einer Insolvenzverschleppung geboten sind.