Weiterbeschäftigung bei Kündigung
Wenn man als Arbeitgeber einem Arbeitnehmer kündigt, denkt man im ersten Moment wohl nicht daran, diesen Arbeitnehmer über den Kündigungszeitpunkt hinaus weiter zu beschäftigen. Warum eine Verpflichtung hierzu bestehen kann und wieso es für Arbeitgeber manchmal sogar vorteilhaft sein kann, dem Arbeitnehmer die Weiterarbeit während einem Kündigungsschutzprozess anzubieten, soll in diesem Briefing beleuchtet werden.
Weiterbeschäftigung und Prozessbeschäftigung
Unterschieden werden muss zwischen der Weiterbeschäftigung und einer Prozessbeschäftigung.
Weiterbeschäftigung heißt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vorläufig bis zum Abschluss des Kündigungsschutzprozesses weiterarbeiten lässt. Eine vertragliche Vereinbarung ist hierfür nicht erforderlich.
Bei einer Prozessbeschäftigung schließen Arbeitgeber und Arbeitnehmer einen Arbeitsvertrag, der auf die Dauer der Kündigungsschutzklage befristet ist.
Anspruch auf Weiterbeschäftigung
Ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Weiterbeschäftigung ist typischer Bestandteil einer Kündigungsschutzklage. Der vertragliche Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers endet mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses. Wenn aber unklar ist, ob das Arbeitsverhältnis endet – wie im Rahmen einer Kündigungsschutzklage – soll der Weiterbeschäftigungsanspruch den Arbeitnehmer davor schützen, aus dem Betrieb vor Klärung der Rechtslage faktisch ausgegliedert zu sein.
Ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung kann sich aus § 102 Abs. 5 BetrVG ergeben. Dieser betriebsverfassungsrechtliche Weiterbeschäftigungsanspruch liegt vor, wenn ein Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung frist- und formgemäß widersprochen hat, der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erhoben hat und die Weiterbeschäftigung vom Arbeitgeber verlangt hat.
Daneben gibt es aber noch den deutlich häufiger anzutreffenden allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch, den das Bundesarbeitsgericht 1985 entwickelt hat. Dieser greift ein, wenn das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers im Einzelfall das Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers überwiegt.
Außer in Fällen der offensichtlichen Unwirksamkeit einer Kündigung überwiegt bis zu einer erstinstanzlichen Entscheidung im Allgemeinen das Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers. Hat das Arbeitsgericht der Kündigungsschutzklage aber stattgegeben, überwiegt im Allgemeinen das Interesse des Arbeitnehmers an der Weiterbeschäftigung. Auch wenn der Arbeitgeber diese gerichtliche Entscheidung vor dem Landesarbeitsgericht angreift, hat der Arbeitnehmer dann einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung.
Sollte man als Arbeitgeber den gekündigten Arbeitnehmer also einfach weiterarbeiten lassen, wenn dieser Kündigungsschutzklage erhebt und seine Arbeit anbietet?
Nein. Es besteht die Gefahr, dass die Erfüllung des allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs im Nachhinein als neuer Vertragsschluss ausgelegt wird. Um dieser Gefahr vorzubeugen, muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer unmissverständlich zu erkennen geben, dass er nur aufgrund des allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs bereit ist, die Arbeitsleistung vorläufig weiter anzunehmen.
Vereinbarte Prozessbeschäftigung
Daneben besteht aber wie eingangs beschrieben auch die Möglichkeit, ein befristetes Prozessbeschäftigungsverhältnis zu vereinbaren.
Für den Arbeitgeber kann das vorteilhaft sein, wenn sich die Kündigung letztlich als nicht wirksam herausstellt. Zwischen den Instanzen kann einiges an Zeit vergehen und für diesen gesamten Zeitraum droht die Verpflichtung zur Nachzahlung von Annahmeverzugslohn, ohne eine Arbeitsleistung vom Arbeitnehmer erhalten zu haben.
Aber auch wenn ein Prozessbeschäftigungsverhältnis nicht zustande kommt, kann das Angebot eines solchen für den Arbeitgeber vorteilhaft sein. Nach § 615 Satz 2 BGB und § 11 KSchG muss sich der Arbeitnehmer auf einen Annahmeverzugslohn nämlich dasjenige anrechnen lassen, was er hätte verdienen können, wenn er nicht böswillig unterlassen hätte, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen.
Neben diesen möglichen Vorteilen birgt eine Prozessbeschäftigung auch Risiken. Zum einen könnte das Arbeitsgericht aus einem Angebot zur Prozessbeschäftigung bei einer personen- oder betriebsbedingten Kündigung ableiten, dass scheinbar doch Arbeit für die betroffene Person vorhanden ist und deshalb die Wirksamkeit der Kündigung in Zweifel ziehen. Zum anderen handelt es sich bei der Vereinbarung der Prozessbeschäftigung um ein befristetes Arbeitsverhältnis. Hier sind strenge Formvorgaben wie die Schriftform der Befristungsvereinbarung zu beachten, sonst droht die Unwirksamkeit der Befristung mit der Folge, dass der Arbeitsvertrag als auf unbefristete Zeit geschlossen gilt (§§ 14 Absatz 4, 16 TzBfG).
Fazit
Weiter- und Prozessbeschäftigung sind von der Rechtsprechung geprägte Institute des Arbeitsrechts, die Chancen und Risiken für Arbeitgeber bergen. Im Rahmen der kündigungsschutzrechtlichen Beratung sind diese Instrumente als ökonomisch sinnvolle Mittel stets zu bedenken.