Auswirkung von Zuwendungen zu Lebzeiten (sog. Vorausempfängen) im Erbfall

Hat ein Erblasser einem seiner Kinder, Enkel oder Ur-Enkel (sog. Abkömmlinge) bereits zu Lebzeiten etwas zugewandt, z.B. geschenkt, dann hat der Bedachte einen „Vorausempfang“ erhalten. Im Rahmen der Erbauseinandersetzung sind einzelne, vom Gesetz definierte, Vorausempfänge neben dem vorhandenen Nachlass zu berücksichtigen und unter Umständen unter den Abkömmlingen auszugleichen.

Im Folgenden werden die einzelnen, ausgleichungspflichtigen Vorausempfänge näher beleuchtet und die Konsequenzen bei der Erbauseinandersetzung dargestellt.

Zudem wird ein Weg aufgezeigt, wie ein Erblasser auch noch nach erfolgter Zuwendung Korrekturen vornehmen kann, um eine gerechte Verteilung der Erbmasse sicherzustellen.

 

Ausgleichungspflichtige Vorausempfänge

Nicht jedwede Zuwendung, die ein Erblasser zu Lebzeiten an einen seiner Abkömmlinge leistet, ist automatisch im Erbfall auszugleichen. Hierzu zählen insbesondere folgende Zuwendungen:

– Ausstattungen,

– unverhältnismäßig hohe Einkommenszuschüsse,

– unverhältnismäßige Aufwendungen für Bildung oder Berufsausbildung sowie

– sonstige Zuwendungen, wenn der Erblasser die Ausgleichungspflicht (zum Zeitpunkt der Zuwendung) ausdrücklich angeordnet hat.

 

Unter den Begriff „Ausstattung“ fällt alles, was einem Kind mit Blick auf seine selbstständige Lebensstellung von den Eltern zugewendet wird, z.B. für die Hochzeit.

Mit „Einkommenszuschüssen“ sind solche Zuschüsse gemeint, die dem Bedachten als Einkünfte dienen sollen. Zuschüsse dienen als Einkünfte, wenn sie dazu bestimmt sind, dem fortlaufenden Verbrauch des Empfängers zu dienen. Erforderlich ist hierfür, dass eine gewisse Dauer und Häufigkeit der Zuwendung jedenfalls gewollt war. Einmalige Zuschüsse, bspw. für eine Urlaubsreise oder eine größere Anschaffung, fallen hingegen nicht darunter.

„Aufwendungen für Bildung bzw. Berufsausbildung“ umfassen z.B. den Besuch einer Fachschule, einer Fachhochschule/Hochschule, eine Promotion sowie die berufliche Weiterbildung oder Umschulung nach Abschluss einer ersten Berufsausbildung.

Damit die beschriebenen Einkommenszuschüsse oder Aufwendungen zur Berufsausbildung zum Ausgleich kommen, müssen sie zudem – gemessen an den Vermögensverhältnissen des Erblassers – unverhältnismäßig sein. Hierbei kommt es jeweils auf den Einzelfall an.

Sonstige Zuwendungen unter Lebenden sind nur ausgleichungspflichtig, wenn der Erblasser die Ausgleichungspflicht bei der Zuwendung angeordnet hat.

 

Behandlung von Vorausempfängen bei der Erbauseinandersetzung

Ist eine zu Lebzeiten erfolgte Zuwendung des Erblassers an einen Abkömmling gemäß den genannten Kriterien als ausgleichpflichtiger Vorausempfang zu werten, dann ist diese bei der Erbauseinandersetzung wie folgt zur Ausgleichung zu bringen:

Bei der Erbauseinandersetzung wird jedem Miterben der Wert des ausgleichungspflichtigen Vorausempfangs auf seinen Erbteil angerechnet. Zunächst wird hierfür der Wert sämtlicher Vorausempfänge dem Nachlass hinzugerechnet. Im zweiten Schritt werden die Erbquoten der Abkömmlinge bestimmt und der sich dadurch ergebende Wertanteil am Nachlass. Im dritten Schritt wird beim Erbanteil des Abkömmlings, der einen Vorausempfang erhalten hat, der Wert des Vorausempfangs vom Wert des Erbanteils abgezogen. Dies hat zur Folge, dass er nur noch die Differenz aus Erbanteil abzüglich Vorausempfang aus dem Nachlass erhält.

Übersteigt hingegen der Wert des ausgleichungspflichtigen Vorausempfangs eines Miterben dessen Erbteil, der ihm bei der Auseinandersetzung zukommen würde, so ist er allerdings nicht zum Ausgleich an die anderen Erben verpflichtet. Der Nachlass wird in einem solchen Falle unter den übrigen Erben in der Weise geteilt, dass der Wert der Zuwendung und der Erbteil des Miterben außer Betracht bleibt.

 

Nachträgliche Korrekturen

Anordnungen hinsichtlich der Berücksichtigung bzw. Nichtberücksichtigung von Vorausempfängen bei der Erbauseinandersetzung haben bei der Zuwendung zu erfolgen. Nachträglich können solche Anordnungen nicht getroffen werden.

Bereut der Zuwendende nach erfolgter Zuwendung seine Entscheidung oder möchte er zugunsten des Familienfriedens Gerechtigkeit unter den Abkömmlingen im Rahmen der Nachlassauseinandersetzung herstellen, bestehen erbrechtliche Korrekturmöglichkeiten, wenn auch über Umwege.

Erforderlich ist die Errichtung eines Testaments mit Hilfe dessen letztlich das gewünschte Ergebnis bei der Erbauseinandersetzung bewirkt werden kann und Ungleichbehandlungen, die aufgrund getätigter Zuwendungen zu Lebzeiten eingetreten sind, zu korrigieren.